Bedeutung und Gestaltung von Elterngesprächen

 

Auf dieser Seite wird zunächst die Bedeutung von Tür- und Angel-Gesprächen für die Entstehung einer Vertrauensbasis zwischen Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen betont. Dann wird auf allgemeine Elterngespräche eingegangen, in denen die Entwicklung bzw. Schulleistungen von Kindern im Mittelpunkt stehen. Schließlich werden Problemgespräche thematisiert, bei denen Verhaltensauffälligkeiten, Erziehungsschwierigkeiten, Lernstörungen oder Familienbelastungen erörtert werden.

Tür- und Angel-Gespräche

Eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft setzt voraus, dass Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen einander gut kennen und viel miteinander kommunizieren. Diese Vorbedingung ist eher in Kindertageseinrichtungen gegeben: Wenn Mütter und Väter jeden Tag zum Gruppenraum kommen, um ihr Kind zu bringen bzw. abzuholen, ergeben sich automatisch Kontakte zu den Erzieher/innen. Hier wird die große Bedeutung der Tür- und Angel-Gespräche augenscheinlich: Sie sind die Basis der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Hinzu kommt, dass es in Kindertagesstätten - im Gegensatz zu Schulen - zahlreiche Gruppenangebote für Eltern und viele gemeinsam gefeierte Feste gibt, die ein wechselseitiges Kennenlernen erleichtern. Dies gilt vermehrt für Einrichtungen, in denen Eltern während der Eingewöhnung ihres Kindes präsent sind oder jederzeit hospitieren können.

In der Schule sind solche Voraussetzungen für das Entstehen von Beziehungen zwischen Lehrer/innen und Eltern nicht gegeben. Zumeist werden nur ein Elternabend und eine kurze Elternsprechstunde pro Schul(halb)jahr angeboten, bei denen Schulisches bzw. die Leistungen des jeweiligen Kindes im Mittelpunkt stehen. Die bestehenden Freiräume sollten deshalb genutzt werden, um Veranstaltungen anzubieten, die ein eher informelles Kennenlernen von Lehrer/innen und Eltern ermöglichen. Mit relativ wenig Aufwand könnten z.B. folgende Angebote gemacht werden:

Auf diese Weise könnten Lehrer/innen die Eltern ihrer Schüler besser kennen lernen und so den Grundstein für eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft legen - und das mit einem relativ geringen Aufwand.

Termingespräche

Das Kernstück der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft an Kindertageseinrichtungen und Schulen ist das individuelle Elterngespräch, das möglichst zweimal im Jahr stattfinden und mindestens eine halbe Stunde - besser eine volle Stunde - dauern sollte. Nur hier können sich Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Eltern ausführlich über die Entwicklung, Erziehung und Bildung des jeweiligen Kindes austauschen. Mütter und Väter wollen wissen, wie sich ihr Kind in der Gruppe bzw. der Klasse verhält, ob es gut lernt, ob es Freunde hat, ob es glücklich ist und wie seine Gesamtentwicklung beurteilt wird. Erzieher/innen und Lehrer/innen können nur davon profitieren, wenn sie beim Erstgespräch von den Eltern erfahren, wie sich das jeweilige Kind bisher entwickelt hat, über welche Stärken es verfügt und wo Schwächen auszugleichen sind. Und bei späteren Gesprächen wollen sie wissen, wie sich das Kind in seiner Familie und in seiner Peergroup entwickelt, wie es seine Freizeit verbringt und ob es irgendwelche Ereignisse in der Familie gab, die das Kind belasten (z.B. einen Todesfall, die Trennung der Eltern oder die Geburt eines Geschwisterteils).

Termingespräche setzen voraus, dass die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen zuvor das Kind genau beobachtet haben und somit fundiert über seine motorische, soziale, kognitive, emotionale und Sprachentwicklung Auskunft geben können. Zu Beginn des Elterngesprächs sollte zunächst ein Überblick über die Gesamtentwicklung gegeben werden. Im weiteren Verlauf ist zu beachten, dass alle Entwicklungsbereiche angesprochen werden. Immer wieder sollten Mütter und Väter die Möglichkeit haben, nachzufragen, eigene Beobachtungen zu schildern oder Aussagen zu kommentieren. Unterschiedliche Beobachtungen, die sich nicht auf ein Problemverhalten beziehen, müssen nicht ausdiskutiert werden. Zumeist reicht der Hinweis, dass sich viele Kinder zu Hause anders als in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule verhalten.

Gute Elterngespräche gehen aber noch über den Austausch von Informationen über das Kind hinaus: Mütter und Väter möchten nämlich auch wissen, welche Erziehungs- und Bildungsziele Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen haben, nach welchen Vorgaben sie handeln (z.B. Bildungsplan des Bundeslandes bzw. Konzeption der Kindertagesstätte oder Lehrplan für die jeweilige Klassenstufe), wie der Tag in der Einrichtung bzw. wie der Unterricht gestaltet wird, nach welchen Kriterien die Kinder beurteilt werden u.v.a.m. Für Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen ist es sinnvoll zu wissen, welche Erziehungsziele Eltern haben, wie sie diese umsetzen (Erziehungsstil), inwieweit sie eine für die Bildung des Kindes förderliche Atmosphäre in der Familie geschaffen haben und ob sie besondere Wünsche hinsichtlich der Erziehung ihres Kindes in Kindertageseinrichtung bzw. Schule haben, die z.B. auf religiösen oder kulturellen Traditionen beruhen.

Eine echte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft entsteht aber erst dann, wenn bei Elterngesprächen auch darüber diskutiert wird, wie Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen und Eltern gemeinsam die kindliche Entwicklung fördern können. Beispielsweise können beide Seiten vereinbaren, wie sie besondere Begabungen des jeweiligen Kindes entfalten wollen, auf welche Weise sie Schwächen kompensieren können oder wie sie das Kind bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes, von Selbstvertrauen oder interpersonalen Kompetenzen unterstützen möchten. Auch können Lehrer/innen mit den Eltern abklären, wie Hausaufgaben so betreut werden und Prüfungen so vorbereitet werden können, dass der größtmögliche Nutzen für das Kind entsteht.

Finden Termingespräche häufig statt und beziehen sie alle Familien ein, dann verlieren Eltern sehr schnell die Angst vor ihnen. Sie erleben die Gespräche als "normal", insbesondere wenn die Stärken ihrer Kinder im Vordergrund stehen, und nicht irgendwelche Entwicklungsverzögerungen, Lernschwierigkeiten oder auffälligen Verhaltensweisen. Bei schwer erreichbaren Eltern (z.B. von "Buskindern") können Telefonate eine sinnvolle Alternative sein.

Problemgespräche

Bei Elterngesprächen, bei denen es um Verhaltensauffälligkeiten, Fehlentwicklungen, schlechte Schulleistungen oder die Gefahr des Sitzenbleibens geht, bewährt es sich, wenn bereits eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft besteht. Dann kennen sich die Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern schon relativ gut, haben eine Vertrauensbasis aufgebaut und wissen, dass die jeweils andere Seite am Wohl des betroffenen Kindes und an einer Zusammenarbeit interessiert ist. So sind die Ängste vor einem "Problemgespräch" geringer ausgeprägt.

Aber auch bei einer guten Beziehung zu den Eltern ist es für viele Erzieher/innen und Lehrer/innen belastend, sie über die Auffälligkeiten, Entwicklungsrückstände, Lernschwierigkeiten oder (drohenden) Behinderungen ihres Kindes zu informieren. Hinzu kommt, dass sie in früheren Situationen oft erlebt haben, dass Mütter und Väter aggressiv reagiert, die Fach- bzw. Lehrkraft für die Probleme des Kindes verantwortlich gemacht und sie kritisiert haben. Solche Reaktionen sollten aber als Teil eines Verarbeitungsprozesses auf Seiten der Eltern gesehen und nicht überbewertet werden. Auch lassen sie sich zumeist vermeiden, wenn Erzieher/innen und Lehrer/innen

Wird dementsprechend reagiert, ist schnell eine kooperative Beziehung hergestellt - insbesondere wenn auch die Mütter und Väter Probleme mit ihrem Kind haben: Gemeinsam wollen dann Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern das Verhalten des jeweiligen Kindes verändern. Dabei können sie entsprechend der Stufen des so genannten "Problemlösungsprozesses" vorgehen:

  1. Problemdefinition: genaue Beschreibung der Verhaltensauffälligkeit oder der Erziehungsschwierigkeit; Eltern und Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen müssen diese Definition akzeptieren.
  2. Suche nach den Ursachen des Problems: Bestimmung vorausgehender und nachfolgender Ereignisse und Verhaltensweisen, von Auslösern und Verstärkern; Suche nach problematischen Strukturen und Erziehungsfehlern in Kindertageseinrichtung, Schule und Familie.
  3. Zielbestimmung: Festlegung realistischer Ziele für den Problemlösungsprozess.
  4. Suche nach allen denkbaren Lösungsmöglichkeiten: Brainstorming; anschließend Beurteilung der Vor- und Nachteile sowie möglicher Umsetzungsschwierigkeiten.
  5. Auswahl der voraussichtlich besten Alternative: danach Planung der Umsetzung sowie Ermittlung benötigter Ressourcen und möglicher Widerstände.
  6. Umsetzung der Alternative in Familie und/oder Kindertageseinrichtung bzw. Schule; dabei gegenseitige Unterstützung und Hilfestellung.
  7. Erfolgskontrolle: Überprüfung der Effektivität des Problemlösungsversuches.

Insbesondere wenn sich bei der Ursachenanalyse (Schritt 2) herausstellt, dass sich vor allem die Eltern ändern müssen, sollten sich Erzieher/innen und Lehrer/innen zurückhalten und ihre Gesprächspartner selbst nach Lösungsmöglichkeiten suchen lassen. So zeigen sie, dass sie den Eltern zutrauen, dass sie ihre Probleme selber lösen und ihr Verhalten selbst ändern können. Diese übernehmen dann in der Regel mehr Verantwortung und bemühen sich stärker um einen Erfolg.

Da das Kind sich selbst erzieht und sich selbst bildet, also der wichtigste "Ko-Konstrukteur" seiner eigenen Entwicklung ist, sollten bzw. können ältere Kleinkinder und Schüler/innen auch in Elterngespräche einbezogen werden. Jüngere Kinder können z.B. ihr Portfolio vorstellen oder Fragen der Erwachsenen nach ihrem Befinden, ihrer sozialen Integration, ihren Interessen, ihren Lebenszielen usw. beantworten. Schüler/innen können auch an der Suche nach den Ursachen ihrer Verhaltensauffälligkeiten oder Lernschwierigkeiten beteiligt und in die Bewältigungsversuche eingebunden werden. An manchen Schulen erarbeiten Lehrer/innen, Eltern und "Problemschüler/innen" gemeinsam einen Vertrag, in dem sich jede Seite auf bestimmte Verhaltensweisen festlegt und in dem oft Belohnungen ausgewiesen werden, welche die Kinder bei genau definierten Reaktionen erwerben. Diese Verträge werden von allen drei Seiten unterschrieben. Selbstverständlich nehmen Kinder nur so lange an Elterngesprächen teil, wie dies für sinnvoll erachtet wird - in Kindertageseinrichtungen mögen dies nur einige wenige Minuten sein.

Erschließen externer Hilfen

Eventuell sind zwei, drei Beratungsgespräche nötig, um Probleme bei der Umsetzung der Lösungsstrategie zu diskutieren, eine andere, erfolgversprechendere Alternative auszusuchen oder neu aufgetretene Schwierigkeiten zu klären. Die Erzieher/innen und Lehrer/innen sollten aber nicht versuchen, professionelle Berater/innen oder gar Therapeut/innen zu ersetzen. So verfügen sie nicht über die nötigen Spezialkenntnisse in Psychologie und Heilpädagogik; sind sie nicht in den Techniken der Gesprächsführung, im Einsatz von Tests und therapeutischen Methoden ausgebildet worden. Zudem ist es ihnen alleine schon mangels Zeit nicht möglich, Eltern intensiver zu beraten.

Sind also die Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen zu stark ausgeprägt, lassen Rahmenbedingungen wie die Gruppen- bzw. Klassengröße oder die Zahl von Kindern mit besonderen Bedürfnissen eine intensive Förderung der betroffenen Kinder nicht zu, können keine Verbesserungen im Verhalten der Kinder erreicht werden, liegen die Ursachen vor allem in der Familie und können von den Fach- bzw. Lehrkräften nur unzureichend beeinflusst werden, haben Mütter und Väter große Probleme oder mangelt es ihnen an erzieherischen Kompetenzen (usw.) - dann müssen den Kindern und ihren Eltern Hilfsangebote psychosozialer Dienste erschlossen werden, also z.B. von Erziehungs-, Ehe- und Familienberatungsstellen, Schulpsychologischen Diensten, Psychotherapeut/innen, Frühförderstellen, Ausländer-, Gesundheits-, Wohnungs-, Sozial- und Jugendämtern, Ärzt/innen, Logopäd/innen, Ergotherapeut/innen, ambulanten heil- bzw. sonderpädagogischen Diensten, schulvorbereitenden Einrichtungen, Förderschulen, heilpädagogischen Tagesstätten, Schwangereren-, Schuldner- und Sozialberatungsstellen, sozialpflegerischen Diensten und Selbsthilfegruppen. Allerdings können Erzieher/innen und Lehrer/innen nur Empfehlungen aussprechen - ob Mütter und Väter entsprechend handeln, ist von diesen zu entscheiden.

Akzeptieren Eltern, dass ihr Kind oder sie selbst Hilfe durch psychosoziale Dienste benötigen, schildern die Fach- bzw. Lehrkräfte in Frage kommende Angebote allgemein hinsichtlich der Aufgaben, Arbeitsschwerpunkte und Verfahren - analog der Informationen, die in Faltblättern, Broschüren oder Jahresberichten enthalten sind oder die bei früheren Kontakten erlangt wurden. Auch können persönlich bekannte Ansprechpartner benannt und Fragen der Eltern hinsichtlich der Vorgehensweise (telefonische Kontaktaufnahme, Terminvereinbarung, Erstgespräch, Anamnese usw.) beantwortet werden. Die Besprechung sollte möglichst mit einer konkreten Entscheidung der Eltern enden. Verweigern sie die Konsultation eines psychosozialen Dienstes, werden ihnen die Konsequenzen verdeutlicht - z.B. Verfestigung der Verhaltensauffälligkeiten, Zurückstellung bei der Einschulung und eventuell Besuch einer Sondereinrichtung oder Förderschule. Ansonsten wird mit den Eltern vereinbart, dass sie die Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen informieren, was seitens des psychosozialen Dienstes herausgefunden und unternommen wird. Die Fach- bzw. Lehrkräfte können sich auch eine (schriftliche) Einwilligungserklärung geben lassen, die es ihnen ermöglicht, mit den Mitarbeiter/innen des Fachdienstes über den jeweiligen Fall zu sprechen. So können Beobachtungen und Gedanken ausgetauscht werden, können sich Erzieher/innen und Lehrer/innen über Diagnose, Behandlungsverlauf und Beratungsinhalte informieren lassen.