Zur Ausgestaltung der Bildungspartnerschaft

 

Erzieher/innen, Lehrer/innen und Eltern können einander auch bei der Bildung von Kindern unterstützen. Auf dieser Seite wird beschrieben, wie Mütter und Väter auf dem Wege der Hospitation einen Eindruck vom Geschehen in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule bekommen, wie sie dort mitarbeiten bzw. bildend tätig werden und wie Fach- bzw. Lehrkräfte Bildungsprozesse in der Familie beeinflussen können.

Hospitation

In vielen Kindertagesstätten können Mütter und Väter während der Eingewöhnungsphase ihres Kindes hospitieren - in manchen Einrichtungen ist dies auch jederzeit im Verlauf des Jahres möglich (mit/ohne Anmeldung). Die Eltern gewinnen bei der Hospitation einen Eindruck von der pädagogischen Tätigkeit der Fachkräfte. Indem sie beobachten, wie anspruchsvoll und schwierig die Arbeit mit einer großen Kindergruppe ist, entwickeln sie ein neues Verständnis für die Rolle der Erzieher/innen und begegnen ihnen mit mehr Respekt. Auch erleben sie ihr Kind in der Gruppe, erkennen ganz neue Seiten an ihm und können es mit gleichaltrigen Kindern hinsichtlich seines Entwicklungstandes vergleichen.

Während der Hospitation machen Mütter und Väter viele Lernerfahrungen: Aus der Beobachtung des Umgangs der Erzieher/innen mit Kindern - also an deren Vorbild - lernen sie beispielsweise, wie man mit Kindern altersgemäß kommuniziert, wie man Spiel- und

Bastelmaterialien sinnvoll verwendet, wie man Regeln setzt und deren Einhaltung überwacht und wie man mit Aggressivität, Hyperaktivität oder anderen Verhaltensproblemen umgeht. Die Eltern lernen neue Spiele und gute Kinderbücher kennen, erhalten Tipps für die Beschäftigung von Kleinkindern und übernehmen neue Erziehungsmethoden. Viele dieser Lernerfahrungen übertragen sie auf das Familienleben und die Familienerziehung - es erfolgte also indirekt eine intensive Elternbildung.

Von der Anwesenheit in der Kindertageseinrichtung profitieren nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder. Sie haben neben den Erzieher/innen andere Erwachsene als Spiel- und Gesprächspartner, als Vorbild und Rollenmodell. Auch erfahren sie mehr Stimulation, Anleitung und Förderung. Durch die intensivere Interaktion mit Erwachsenen wird ihre sprachliche und kognitive Entwicklung beschleunigt. Ferner erwerben sie soziale Kompetenzen durch den Umgang mit zuvor oft unbekannten Erwachsenen.

In manchen Bundesländern ist auch in der Schule die Hospitation von Eltern möglich. Dies ist aber den wenigsten Müttern und Vätern bekannt, sodass diese Form der Elternarbeit nur außerordentlich selten genutzt wird. Das bedeutet, dass die in ihr liegenden Chancen - das praktische Kennenlernen des Unterrichts, die Orientierung am Modell der Lehrer/innen, die implizite Elternbildung, neue Lernerfahrungen der Kinder - nicht zum Tragen kommen.

Elternmitarbeit

Bildungspartnerschaft geht aber noch über Hospitationen hinaus - sie impliziert m.E. die Mitarbeit von Eltern in Kindertageseinrichtung und Schule. Mütter und Väter können von den Lehrer/innen als außerschulische Expert/innen in den ganz normalen Schulalltag eingebunden werden. So trifft man z.B. in vielen amerikanischen Schulen auf Eltern, die kleine Gruppen von Kindern am Computer anleiten, mit ihnen in einer Fremd

sprache sprechen oder bestimmte Aktivitäten überwachen. Diese Möglichkeiten könnten auch an deutschen Schulen geschaffen werden.

In Kindertageseinrichtungen können Eltern bei "ganz normalen" Aktivitäten bewusst eingebunden werden. In der folgenden Tabelle finden sich einige Beispiele, die hier nur stellvertretend für eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten stehen.

Möglichkeiten der Beteiligung von Eltern
Malen

in der Malecke Kindern assistieren
benötigte, von den Kindern aber nicht erreichbare Utensilien holen
mit Kindern über ihre Kunstwerke sprechen
den Namen der Kinder unter die Bilder schreiben

Basteln/Werken

Helfen beim Umgang mit Scheren und Klebstoff
mit Kindern Perlen aufreihen, Papier falten usw.
Unterstützen von Kindern im Umgang mit Werkzeug
Aufpassen, dass Kinder sich nicht verletzen
Herstellen von Requisiten für das Puppentheater

Musik

Singen/Einüben von Liedern
interessierten Kindern ein Musikinstrument vorstellen
mit Kindern tanzen
zu Hause Kassetten, CDs oder DVDs mit Musik bespielen

Spiele

mit Kindern Bauwerke erstellen; aufpassen, dass nicht die Bauten anderer Kinder umgestoßen werden
Beteiligung an Tischspielen, falls von den Kindern gewünscht
zu Hause Puppen oder Spielsachen herstellen

Rollenspiel

Beteiligung an Rollenspielen
neue Rollen und Themen einführen
mit Kindern den Rollenspielbereich auf ein bestimmtes Thema bezogen ausstatten
zu Hause Kleidung für den Rollenspielbereich nähen

Medienerziehung

Kindern ein Bilderbuch vorstellen
mit Kindern über ihre Lieblingsbücher sprechen
Märchen und Geschichten erzählen/vorlesen
Kindern am Computer assistieren
zu Hause Kassetten, CDs bzw. DVDs mit selbst vorgelesenen Geschichten bespielen

Naturwissenschaften

mit einigen Kindern experimentieren oder bei Experimenten assistieren
Kinder auf Naturphänomene aufmerksam machen, mit ihnen über Tiere, Insekten und Pflanzen sprechen
Kinder vor Störungen durch andere schützen, wenn sie sich z.B. alleine mit Montessori-Material beschäftigen

Mathematik Anleiten von Kindern beim Zählen, Sortieren und Vergleichen von Objekten
Eigenschaften wie größer - kleiner, schwerer - leichter miteinander in Beziehung setzen
Sprache

mit einzelnen Kindern/Kleingruppen längere Gespräche führen
neue Begriffe einbringen
mit Kindern über die Bedeutung von Wörtern sprechen
Kindern eine Fremdsprache vorstellen
Fingerspiele, Gedichte oder Reime einführen

Freispiel (draußen)

den Kindern beim Anziehen von Mänteln, Schuhen usw. helfen
mit Kindern Fangen oder Verstecken spielen, ihnen einen Ball zuwerfen usw.
mit Kindern im Sandkasten spielen

Mahlzeiten den Kindern beim Decken und Abdecken des Tisches helfen
mit Kindern kochen (auch ausländische Gerichte) und backen
Herrichten eines gesunden Frühstücksbuffets (regelmäßig/einige Male pro Monat)
usw. usw.

Mütter und Väter können aber noch mehr aktiviert werden, indem sie bei Projekten eingebunden werden. Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen können interessierte Eltern bereits in deren Planung einbeziehen: Diese können Ideen beisteuern, organisatorische Aufgaben erledigen, eine besondere Aktivität mit Kindern übernehmen oder auch als Begleitpersonen bei Exkursionen mitkommen. Projekte unter Beteiligung der Eltern können z.B. die Erkundung der Gemeinde, das Leben in der Vergangenheit, Besuche in Museen, Theatern, Redaktionen oder Druckereien u.Ä. umfassen. Durch sie kann den Kindern leichter die Erwachsenenwelt und ihr Wohnort erschlossen werden.

Eine Mitwirkung von Eltern ist auch in anderen Bereichen als der pädagogischen Arbeit möglich: Viele Erzieher/innen haben gute Erfahrungen mit der tatkräftigen Hilfe von Müttern und Vätern bei Festen und Feiern, bei der Umgestaltung des Außengeländes des Kindergartens (z.B. Anlegen von Taststraßen, Kräuterschnecken, Hügeln, Weidenhäusern usw.), dem Renovieren von Räumen und dem Vergrößern der Spielfläche durch Holzeinbauten gemacht. Auch für Verschönerungsaktionen wie z.B. die Gestaltung eines Mosaiks im Eingangsbereich der Kindertageseinrichtung oder für Reparaturarbeiten (bei kaputten Spielsachen/-geräten) sind Eltern leicht zu gewinnen. Gelegentlich übernehmen Eltern sogar Verwaltungsaufgaben (z.B. Buchhaltung), die Erstellung und Pflege der Homepage der Kindertagesstätte oder die Redaktion und das Layout der Kindergartenzeitung.

Weitere Formen der Bildungspartnerschaft an Schulen

Andere Formen der Zusammenarbeit mit Eltern, die in den letzten Jahren an vielen Schulen erprobt wurden, sind beispielsweise:

Solche und ähnliche Veranstaltungen nutzen die besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen von Eltern für die Bildung der Schüler/innen. Sie können ohne größeren Aufwand organisiert werden.

Beeinflussung von Bildungsprozessen in der Familie

Bildungspartnerschaft geht aber auch in Richtung "Familie": Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen können durchaus das Bildungsgeschehen in den Familien der ihnen anvertrauten Kinder beeinflussen. So können Eltern durch entsprechende Informationen seitens der Tageseinrichtung bzw. Schule motiviert werden, Bildungs- bzw. Unterrichtsinhalte zu Hause aufzugreifen und zu vertiefen. Beispielsweise können bestimmte Aktivitäten mit den Kindern begonnen werden, die dann in der Familie fortgeführt oder ergänzt werden. Oder die Fach- bzw. Lehrkräfte schicken die Kinder mit dem Auftrag nach Hause, ihre Mütter und Väter zu einem bestimmten Thema zu "interviewen", sie um etwas (z.B. um ein "historisches" Objekt zum Anschauen in der Gruppe) zu bitten, mit ihnen ein vorgegebenes Experiment durchzuführen oder mit ihnen eine Bastelarbeit zu beenden (z.B. die Teile einer Martinslaterne zusammenzukleben). Auf diese Weise wird auch der Kita- bzw. Schulalltag für die Eltern transparent.

Ferner können Erzieher/innen und Lehrer/innen den Eltern empfehlen, zum Thema einer längerfristigen Aktivität oder eines Projekts passende (Bilder-) Bücher aus der Stadtbibliothek auszuleihen und mit den Kindern anzuschauen. Die Fachkräfte können auch Materialien wie Bücher, Lernspiele, Anleitungen, Praxisartikel usw. zusammenstellen, die Eltern ausleihen können. So werden Mütter und Väter angehalten, zu Hause bildende Aktivitäten mit ihren Kindern durchzuführen. Die Materialien können in Bezug zum Wochenplan, zum Unterrichtsthema oder zu einem aktuellen Projekt stehen, müssen dies aber nicht.

Erzieher/innen können im Rahmen der Bildungspartnerschaft die Eltern motivieren, ihre Kinder beispielsweise auf dem Gebiet der Spracherziehung verstärkt zu fördern. So können sie die Mütter und Väter zu folgenden Aktivitäten anhalten: Vorlesen, Bilderbücher betrachten, (Gute-Nacht-) Geschichten erzählen, dem Kind zuhören, wenn es etwas erzählt, und dann das Gespräch ausweiten etc.

Im schulischen Bereich wird in den USA seit Jahren mit so genannten "interaktiven Hausaufgaben" gearbeitet, die Lehrer/innen unter Berücksichtigung der Interessen von Eltern und Kindern entwickeln und die von Letzteren im Gespräch miteinander erledigt werden müssen. Ergänzend werden mancherorts "homework workshops" angeboten, in denen Mütter und Väter lernen, wie sie mit solchen interaktiven Hausaufgaben umgehen sollen. Dabei geht es auch um das Erlernen von Fragetechniken, die Kinder zum Nachdenken anregen. Bei Workshops an Grundschulen wird besonders betont, wie Eltern das Lesen ihrer Kinder fördern können. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass Eltern-Kind-Interaktionen im Zusammenhang mit dem Erledigen von Hausaufgaben das Interesse an Bildung auf beiden Seiten fördern und beim Kind zu besseren Schulleistungen führen.